Wo kannst Du am besten Fasten?

Einige Ärzte bestehen darauf, nur Kliniken kämen in Frage – ich halte das für völlig übertrieben. Die allermeisten Menschen können gut ohne Mediziner und also auch außerhalb von Krankenhäusern und Sanatorien fasten, viele sogar ganz ohne Arzt. Ursprünglich war auch ich in diesem letzten Punkt vorsichtiger, die guten Erfahrungen vieler allein Fastender aber haben mir in den letzten Jahrzehnten gezeigt, wie sehr die Bedeutung von Ärzten bei dieser natürlichen Kur überschätzt wird. »Patienten« und Ärzte müssen sich gleichermaßen in dieser Situation umstellen. Als Fastender hat man sich auf einen Weg begeben, auf dem der Arzt allmählich immer unwichtiger wird. Schritt für Schritt übernimmt man die Verantwortung für das eigene Wohlergehen selbst, jene Verantwortung, die man sowieso schon immer hat, und dem Arzt bleibt nur der Beistand in wirklichen Ausnahmesituationen. Während der Fastenzeit wird er im allgemeinen von Tag zu Tag überflüssiger, in dem Maße, wie der Fastende Stufe für Stufe gesundet. »Ihr Arzt« wird Ihre zunehmende Mündigkeit und Aufgeschlossenheit begrüßen, macht sie ihn doch freier für seine wirklichen Aufgaben. Ist das wider Erwarten nicht der Fall, haben Sie »Ihren Arzt« vielleicht noch gar nicht gefunden. Und während Sie ihn noch draußen suchen, mag es sein, Sie finden ihn innen – Fasten ist der ideale Weg dazu.

Der ideale Fastenort ist abhängig von Deinem gesundheitlichen Zustand

Wirklich kranke Patienten, etwa solche mit psychiatrisch relevanten Krankheitsbildern, sollten tatsächlich in einem Krankenhaus fasten, wo sie in idealer Weise parallel zur Fastenkur mit naturheilkundlichen Methoden betreut werden können – und wo die Therapeuten den Fastenprozess nicht stören, sondern im Gegenteil fördern. Im Augenblick besteht da noch ein großer Mangel, der sich hoffentlich in Zukunft erübrigt.

Für relativ gesunde Patienten dagegen - niemand ist ja nach der Schulmedizin ganz gesund - halten sich Vor- und Nachteile von Sanatorien ziemlich die Waage. Der wesentliche Vorteil solcher Institutionen liegt darin, Fastenden völligen Rückzug aus ihrer Alltagswelt und damit im Idealfall Ruhe zu verschaffen. Allerdings kann gerade die Versammlung vieler übergewichtiger Patienten, die alle nur eine Sorge haben, wie sie ihre Kilos loswerden, die schönsten Möglichkeiten der Kur (zer)stören. Jammern steckt bekanntlich an, und gemeinsam nichts Wesentliches zu tun zu haben, außer über Rezepte und Übergewicht nachzusinnen, kann besonders für diejenigen, die mehr mit dem Fasten verbinden wollen im Hinblick auf spirituelle Entwicklung, sehr enttäuschend und nervenraubend werden. Darüber hinaus verstärken solche Situationen das anfängliche Hungergefühl noch über die Maßen, weil sie eben gerade die so notwendige Bewusstseinsumstellung nicht fördern. Unter Umständen ist deshalb sogar jemand, dem es nur ums Abspecken geht, besser beraten, zu Hause oder sogar während seiner Alltagsroutine zu fasten – da ist er dann wenigstens abgelenkt.

Betreutes Fasten in einer Gruppe

Es gibt natürlich aber auch die umgekehrte Möglichkeit, wo sich Menschen in einer Gruppe zusammen zurückziehen, und gerade Bewusstwerdung in den Mittelpunkt stellen. TamanGa haben wir als solch einen Ort mitten in der Natur in der klimatisch begünstigten Region der sogenannten steirischen Toskana gegründet. Solche Situationen sind ideal, sowohl zu Beginn, als auch für wiederholte Fastenkuren. Dabei kann der Schwerpunkt mehr auf Struktur und Stille, etwa in Anlehnung an die Zen-Tradition liegen wie in unserem Seminar „Fasten – Schweigen – Meditieren“ oder aber auf gruppendynamischen Momenten und der gemeinsamen Freude und Erleichterung durch das Fasten wie in der jeweils dem strengen Zen-Kurs vorausgehenden Fasten-Kurswoche „Körper – Tempel der Seele“.

Auch Fasten in möglichst freier Natur kann wundervolle Erfahrungen ermöglichen. Außer Abgeschiedenheit und Stille braucht man eigentlich nur eine Quelle sauberen Wassers und die wenigen Fastenutensilien wie Einlaufgerät und Wärmflasche. Das ist allerdings eher ein Blick in die Fastenzukunft und sicher keine Möglichkeit für den Einstieg, setzt sie doch eine gewisse seelische und körperliche Sicherheit voraus und eben ein gutes Maß Fastenroutine. Eine weitere Möglichkeit sind Fasten-Wander-Wochen, die – in schöner Landschaft durchgeführt – noch den Vorteil von genug Bewegung und damit vermehrtem Abnehmen mit sich bringen.

Zuhause Fasten

Prinzipiell geht es zu Hause genauso, nur sollten dann bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Die Möglichkeit, sich zurückzuziehen und allein und ungestört zu sein, um einem Bedürfnis des Körpers nach Ruhe rasch nachkommen zu können, ist wichtig. Wer sich ganz frei machen kann von Pflichten, lästigen Verabredungen und unangenehmen Arbeiten, ist natürlich viel besser dran. Angenehme Arbeiten dagegen, wie etwa im Garten, können durchaus förderlich sein, da Bewegung immer gut tut. Sogar während der normalen Arbeit lässt sich fasten, da die Leistungsfähigkeit erhalten bleibt, wie uns viele Kuren gezeigt haben – nur vergibt man hierbei sicherlich die wichtigsten Chancen des Fastens auf seelischer Ebene und nähert sich einer symptomatischen Therapie. Auch sind Ergebnisse und Erfahrungen bei weiterlaufender Arbeit weniger intensiv sein – es sei also nicht empfohlen, aber für Ängstlichen doch gesagt, es ist möglich. Schwieriger ist es natürlich, in einer Umgebung zu fasten, wo alle essen und wenig oder kein Verständnis aufbringen. Oft lösen Fastende bei denjenigen, die es auch nötig hätten, aber nicht den Mut oder die Kraft aufbringen, regelrechte Aggressionen aus. Solch seltsame »Freunde« setzen dann alles daran, einen vom Fasten-Entschluss wieder abzubringen, versuchen mit allen Mitteln, die eigene Angst anderen einzuflößen und auf sie zu projizieren. Wie alles Umdenken, Heraustreten aus dem Massenverhalten, erfordert auch Fasten ein wenig Rückgrat, innere Überzeugung und manchmal auch Erfindungsgeist.

Das Wichtigste ist aber den Einstieg zum Umdenken zu finden. Wer ihn geschafft hat, hat das Wichtigste hinter sich, denn wie das drittwichtigste der Schicksalsgesetze sagt, „im Anfang liegt alles“.

Für Hausfrauen, die für die Familie weiter kochen, ist es natürlich sehr schwer, allein zu fasten. Hier hätten Gruppenaktivitäten deutliche Vorteile und erleichtern vieles.

Aus dem bisher Gesagten wird wohl deutlich, wie günstig es wäre, den Urlaub zum Fasten zu nutzen oder einen zusätzlichen Fastenurlaub zu machen, zumindest jedoch während der ersten Zeit »frei« zu sein.

Es kommt auf Deine Situation an

Bewährt hat sich auch die Kombination mit Psychotherapie, da sich beides gegenseitig sehr gut fördert und ergänzt. Tatsächlich hat die Praxis gezeigt, daß es sehr schwierig ist, einen verstopften Patienten zu psychotherapieren, wohingegen mit beginnender körperlicher Ausscheidung meist auch die Ausscheidung seelischen Ballastes leichter fällt. In beiden Fällen geht es um Loslassen, Sich-Öffnen und vertrauensvolles Hingeben.

Vereinfacht lässt sich feststellen, allen körperlichen Schlacken und Ablagerungen entsprechen solche auf seelischer Ebene. Vielfach wird die Parallelität auch direkt erfahrbar, wenn mit körperlichem Fortschritt auch ein seelischer Knoten platzt oder wenn uns ein Traum oder eine Erkenntnis durch eine körperliche Krise hindurchführen. Je mehr Gelegenheit wir uns zu solchen Erfahrungen lassen, umso besser. Ähnlich wie wir uns beim Fasten keine materielle Nahrung zuführen, sollten wir auch mit geistiger Nahrung sehr achtsam sein. Die Seele braucht Raum und Zeit, um loszulassen und Altes aufzuarbeiten. Hier sehen wir schon, woher der gute Einfluss der Stille und des Schweigens auf den Fastenprozess rührt. Nicht Neuaufnahme, sondern Verarbeitung des Alten stehen im Vordergrund. Folglich sind alle Orte der Stille für diese Zeit der Regeneration besonders geeignet.

Allerdings braucht niemand den Kopf gänzlich hängen zu lassen, wenn die äußeren Bedingungen nicht ideal sind. Das Fasten schafft aus sich heraus einen Bereich der Stille, und diese Stille liegt im Innern und ist mindestens so wertvoll wie die äußere. Die innere und die äußere Ruhe schaffen zusammen ideale Voraussetzungen für die Fastenkur, und Fastenzeiten fördert auch obendrein noch die eigene Offenheit für den idealen Platz. Genau wie äußere Hektik viele innerlich durcheinanderbringt, lässt sich umgekehrt beim Fasten die Erfahrung machen, wie ansteckend innere Ruhe auf die äußere Umgebung wirkt. So ist im Endeffekt fast jede äußere Situation geeignet, wenn nur die innere Einstellung stimmt.

Grundsätzlich schwanken die Möglichkeiten also zwischen dem Fasten im Alltag bei weiter laufender Arbeit und dem Rückzug in Einsamkeit und Stille. Jede(r) kann sich aus der ganzen Bandbreite der Möglichkeiten die für sie oder ihn beste herausfinden, wobei die Extreme an beiden Enden der Skala am Anfang durchaus zu schwierig und auch in der Wirkung zu stark sein mögen. Bei einigen wird die gesundheitliche Situation die Kur in der Fastenklinik erforderlich machen oder zumindestens die begleitende Anwesenheit eines Arztes. Es empfiehlt sich, den entsprechenden Ort bewusst auszuwählen und lieber etwas weiter zu fahren, um dann wirklich ankommen zu können. Eine passende und obendrein schöne Umgebung ist natürlich besser geeignet, tiefe Erfahrungen zu machen und zugleich die eigenen schönen Seiten zu erleben.

Wer es sich leisten kann und will, den Schwerpunkt mehr in spirituelle Richtung zu legen, und trotzdem in einer Gruppe sein möchte, kann etwa in einem Kloster fasten oder in einer ähnlichen Umgebung wie bei unsrem Fasten- und Zenkurs*. Für all jene, deren gesundheitliche Situation angespannt ist, sei gesagt: Ein Anfang auf dem Boden von Krankheit verhindert keineswegs die spirituelle Ebene, im Gegenteil, die Krankheit mag sogar gerade der erste Schritt eines langen Weges zur Heilung werden.